Auf der Suche nach dem Schwung des Saisonstarts: Was die Zahlen vor dem Spiel gegen Sion über die Lage des FC St.Gallen sagen
St.Gallen tritt an Ort. «Übermüdung», sagen die einen. «Verunsicherung», die andern. Oder ist es am Ende einfach das normale Auf und Ab in einer vollgepackten Saison? Vor dem Heimspiel gegen den FC Sion werfen wir einen Blick auf einige Zahlen zu Spielminuten, Zweikampfstärke und Gegentoren.
Insgeheim war man sich ja einig, wie das Spiel gegen den FC Winterthur am vergangenen Mittwoch ausgehen würde. Die Tipps von Sportredaktoren und Beobachtern im hauseigenen Liveticker dieser Zeitung (unter 3:1 lief da gar nichts, 4:0 war das höchste der Gefühle) wie auch unter Fans waren eindeutig. Selbst die Wettbüros wussten, wem hier die Favoritenrolle gehört.
Es kam anders, wie das halt so ist mit Prognosen und Zahlen. 90 Minuten später mussten sich die St.Galler bei Goalie Lawrence Ati Zigi bedanken, dass sie im Spiel gegen das Tabellenschlusslicht immerhin das 2:2 und den einen Punkt halten konnten. Der Fall unter den Trennstrich blieb Tatsache. Heute im Heimspiel gegen den FC Sion ab 20.30 Uhr sind umso mehr drei Punkte gefordert.
Schon wieder gegen den FC Sion
Vor Wochenfrist trat der FCSG beim FC Sion an und sicherte sich dank des Traumtors von Noah Yannick zum 2:2 einen Punkt. Heute ab 20.30 Uhr sind die Sittener nun im Kybunpark zu Gast. St. Gallens Trainer Enrico Maassen wird unter anderen auf Stürmer Willem Geubbels verzichten müssen, der im Wallis nach einer Tätlichkeit vom Feld gestellt wurde. Der Rekurs des FCSG gegen die zwei Spielsperren wurde von der SFL-Disziplinarkommission abgewiesen.
Mögliche FCSG-Formation
Zigi; Faber, Vallci, Stanic, Okoroji; Görtler, Quintillà, Witzig; Toma; Mambimbi, Cissé.
«Dann wird’s schwer»
Die Partie gegen Winterthur verdeutlichte noch einmal die Probleme der vergangenen Tage und Wochen. Einerseits waren da die teils grossen Abstimmungsprobleme in der Abwehr. «Wenn wir vorne einen solch riesigen Aufwand betreiben, um eigene Torchancen zu kreieren, hinten aber so einfach Torchancen zulassen, dann wird’s einfach schwer», fasste Captain Lukas Görtler nach dem Spiel zusammen.
Anderseits kam beim Spiel gegen Winterthur abermals das Gefühl auf, dass der Schwung der ersten Tage unter dem neuen Trainerteam um Enrico Maassen einer gewissen Müdigkeit oder sogar Verunsicherung gewichen ist. Bäume wachsen nicht in den Himmel, diese Erkenntnis musste früher oder später kommen. Die Wahrheit liegt wohl zwischen dem anfänglichen Selbstverständnis, auch knappe Spiele immer zu gewinnen und dem aktuellen Resultate-Kriechgang. So euphorisch wie in Trabzon konnte es ja nicht weiter gehen.
Defensive begann stark – und liess stark nach
Tatsächlich scheint aber jener Ausflug in die Türkei so etwas wie einen Bruch darzustellen: In den ersten elf Spielen bis und mit jenem in Trabzon erhielten die St.Galler zehn Gegentore, dann folgten in elf Partien deren 24. Der Vergleich hinkt vielleicht, weil die Gegner anders hiessen. Aber ein anderer Wert ist ebenso interessant, wie uns der Datenanbieter Wyscout erklärt: Die St.Galler Quote an gewonnenen Zweikämpfen sank seither eben auch.
Auf der Suche nach Gründen wurde vieles aufgezählt, natürlich auch die national-internationale Doppelbelastung, wobei Trainer Maassen und Co. diese nie als Ausrede für verlorene Punkte vorbringen. Dennoch: Nicht nur Spiele, sondern auch die vielen Reisen können ermüden, wie Studioexpertin Martina Moser am Mittwoch im SRF ausführlich darlegte.
Tatsächlich kommen einige St.Galler Spieler wie Zigi oder Bastien Toma nach nur gut drei Monaten auf rekordverdächtige Zahlen, wie folgende Grafik zeigt.
Genau gleich viele Minuten wie die St.Galler, nämlich 2010, hat aber auch der FC Lugano absolviert. Und die Tessiner zeigen deutlich mehr Konstanz. Wer genauer hinschaut, sieht: Lugano rotiert sogar noch stärker als St.Gallen. Jene elf Spieler, die am häufigsten auf dem Feld stehen, sind bei den Luganesi weniger stark belastet als die St.Galler «Topelf».
Dabei ist das Rotieren in der Aufstellung ja auch Maassen sehr wichtig. Er tat dies besonders in der Verteidigung sehr oft – die Krux: genau dies kann ein Erklärungsansatz sein für Unsicherheiten im Defensivspiel. Schonende Rotation und Eingespieltheit sind halt Gegenparts, die Suche nach der goldenen Mitte ist die Herausforderung.
Isaac Schmidt bleibt der St.Galler Punktekönig
Ohnehin lassen sich Zahlen ja gerne unterschiedlich interpretieren. Hier kommen wir zum Thema Isaac Schmidt. Seit er den Klub in Richtung Leeds und Championship verlassen hat, chögelet’s im FCSG, wie man es gut sanktgallerisch ausdrücken würde. Der Aussenverteidiger war physisch extrem präsent, brachte Torgefahr, meist ohne defensive Aufgaben zu vernachlässigen. Wir haben ausgerechnet, wie viele Punkte jeder St.Galler Spieler in dieser Saison während seiner Einsätze geholt hat, nationale Cupspiele ausgeklammert. Und hier schwingt, wen wundert’s, Schmidt sehr deutlich obenaus.
Interpretieren lässt sich dies so: Ohne Schmidt läuft’s nicht. Oder: Schmidt verliess das Team just zu dem Zeitpunkt, als der harte Doppelbelastungsalltag einkehrte. Nun, auch die Punkteverteilung auf die einzelnen Spieler beinhaltet Zufälle – Noah Yannick mit bisher wenigen Einsätzen musste zum Beispiel just gegen Brügge und die Fiorentina ran.
Schmidt übrigens kam in Leeds erst dreimal zu Kurzeinsätzen – er verlor dabei nie ein Spiel. Nein: Abergläubisch werden wir darob nicht.
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