Endspurt im US-Wahlkampf –
Harris eröffnen sich überraschende Chancen
In einem harten Wahlkampf zeigt sich Donald Trump immer aggressiver, Kamala Harris liegt in einer wichtigen Umfrage plötzlich vorn.
Publiziert heute um 19:58 Uhr
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
- Der US-Wahlkampf gipfelt im Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump.
- Beide Kandidierenden liegen Umfragen zufolge in etwa gleichauf.
- Trump könnte trotz ausstehender Ergebnisse seinen Sieg verkünden.
- Die Swing-States sind entscheidend für den Wahlausgang am 5. November.
Jetzt mündet der amerikanische Wahlkampf also in den Wahltag. An diesem 5. November schliessen die Wahllokale, und irgendwann wird man endlich wissen, ob das Land seine erste Präsidentin bekommt oder wieder einen Präsidenten. Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben bereits ihre Stimmen abgegeben – seit der Pandemie ist die Briefwahl populär geworden (lesen Sie hier alles zum US-Wahlsystem). Nun wählt der interessierte Rest, dann wird ausgezählt und die Frage beantwortet, die Amerika und den Rest der Welt seit Monaten beschäftigt: Kamala Harris oder Donald Trump?
Nach Umfragen liegen beide Kandidaten weiterhin mehr oder weniger gleichauf. Zuletzt schien der Republikaner Trump leicht im Vorteil zu sein, die anfängliche Begeisterung über Harris’ Kandidatur war abgeflaut. Dann machte am Wochenende die Nachricht die Runde, dass die Demokratin laut einer Erhebung in Iowa führt, einem eigentlich republikanisch dominierten Bundesstaat. Vor allem Frauen dort sollen demnach sie bevorzugen, unter anderem wegen ihres Einsatzes für die freie Entscheidung bei Abtreibungen. Entscheidend dürfte ansonsten der Ausgang in sieben anderen US-Bundesstaaten sein, den sogenannten Swing-States.
Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Georgia, North Carolina, Arizona und Nevada sind besonders umkämpft, vor allem dort bemühten sich die Bewerber in den vergangenen Tagen um Unterstützung. Es geht um jenen kleinen Teil der Wählerschaft, der sich erst im letzten Moment entscheidet.
Wenige Stimmen sind entscheidend
Wie das aussehen könnte, hat die unabhängige Internetseite 270towin.com berechnet. Sie nutzt die Prognosen verschiedener Expertinnen und Experten, um den wahrscheinlichen Wahlausgang in den Bundesstaaten vorherzusagen. Es wird dabei voraussichtlich auf wenige Zehntausend Wählerinnen und Wähler ankommen, wie 2016, als Trump gegen Hillary Clinton gewann, und 2020, als Joe Biden den Amtsinhaber Trump bezwang.
Im Jahr 2000 entschied der Oberste Gerichtshof nach 36 Tagen zugunsten von George W. Bush. Bei der Wahl 2020 wurde der Demokrat Joe Biden nach gut drei Tagen von TV-Sendern zum Sieger erklärt, der Verlierer von damals leugnet seine Niederlage bis heute: «Ich hätte nicht gehen sollen», sagte Trump am Sonntag in Pennsylvania und meinte seinen Auszug aus dem Weissen Haus. Den Sturm seiner Anhänger auf das Capitol am 6. Januar 2021 mit Toten und Verletzten, bei dem Bidens Wahlsieg gekippt werden sollte, hatte er bei anderer Gelegenheit als «Tag der Liebe» bezeichnet.
Ein hoher Berater des Wahlkampfteams von Donald Trump will nicht ausschliessen, dass der ehemalige US-Präsident wie schon 2020 noch vor Bekanntgabe der Ergebnisse den Sieg für sich beansprucht. Trump werde sich zum Sieger erklären, wenn «wir sicher sind, die nötigen 270 Wahlleutestimmen beisammen zu haben», sagte Jason Miller am Montag auf Nachfrage von Reportern.
Trump fantasiert von Wahlbetrug
Trump verstört mit immer radikaleren Einfällen. So sagte er am Sonntag, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn «jemand durch die Fake News schiessen» würde. Zur Erinnerung: Im Juli hatte eine Kugel eines Schützen sein rechtes Ohr gestreift, im September soll sich am Rande eines seiner Golfplätze in Florida ein mutmasslicher Attentäter postiert haben. Ausserdem warf Trump den Demokraten erneut versuchten Wahlbetrug vor, obwohl es dafür keine Hinweise gibt. Massgeblich unterstützt wird er von Elon Musk, dem Besitzer des Netzwerks X (lesen Sie hier, wie Musk Fake News verbreitet).
Wahlbeobachter sind angesichts der aggressiven Stimmung besorgt, dass Proteste nach der Wahl in Gewalt münden könnten. Trump versuche, nach dem gleichen Schema wie 2020 Chaos zu schüren, schrieb Pennsylvanias demokratischer Gouverneur Josh Shapiro auf X. «Aber hören Sie mir zu: Wir werden wieder freie und faire, sichere Wahlen haben – und der Wille des Volkes wird respektiert werden.» Abgestimmt wird auch über die künftige Besetzung von Repräsentantenhaus und Senat sowie regionale Themen.
Kamala Harris ruft im Endspurt zur Einheit auf und warnt vor Trump als Gefahr für die Demokratie. Trump würde eine Feindesliste mit ins Oval Office bringen, sagte sie, sie arbeite dagegen an einer To-do-Liste. Bei ihren Auftritten fasst sie sich kurz, spricht gezielt Wählergruppen wie die Generation Z, also die unter 30-Jährigen, Latinos oder Menschen mit arabischem Hintergrund an. In einer Rede erwähnte sie Trump zuletzt überhaupt nicht mehr namentlich.
Am Montag tourte sie noch mal durch Pennsylvania und besuchte unter anderem die von Zehntausenden Latinos bewohnte Stadt Allentown. Trump und seine Wahlhelfer hatten Einwanderer mehrfach beleidigt, der Republikaner will Immigranten ohne Papiere deportieren.
Es ist ein historisches Duell zwischen der früheren Strafverfolgerin Kamala Harris, 60 Jahre alt, gegen den verurteilten Straftäter Donald Trump, 78. Gewinnt die Tochter von Eltern aus Indien und Jamaika, so würden die USA erstmals von einer Frau regiert.
Der Morgen
Der perfekte Start in den Tag mit News und Geschichten aus der Schweiz und der Welt.
Weitere Newsletter
Einloggen
Peter Burghardt berichtet seit September 2022 als Korrespondent aus den USA.Mehr Infos
Fehler gefunden?Jetzt melden.
0 Kommentare