Ruben Amorim hat vielleicht nur einen halben Scherz gemacht, als er behauptete, die Belastungen, die er als Manager von Manchester United mit sich bringt, seien bereits in seinen jugendlichen Zügen sichtbar.
Vor seinem ersten Besuch an der Anfield Road hatte der 39-Jährige weniger einen neuen Cheftrainer-Boom erlebt, als dass er eher gescheitert wäre. Seit er im November im Old Trafford die Nachfolge von Erik ten Hag angetreten hatte, musste er in acht Premier-League-Spielen fünf Niederlagen hinnehmen.
Und Amorims Botschaft vor dem Besuch am Sonntag im aufstrebenden FC Liverpool war kaum ein Sammelruf, um die Truppen anzufeuern, da er behauptete, die Spieler von United seien „ängstlich – manchmal ängstlich“.
Es handelt sich dabei nicht gerade um Kampfgeschwätz bei der derzeit wohl härtesten Aufgabe im europäischen Fußball: einem Aufeinandertreffen mit einer Mannschaft aus Liverpool, die in der Premier League klar an der Spitze steht und in der Champions League alles vor sich hat.
Und doch zeigte United trotz aller Widrigkeiten und trotz eines Schneesturms auf Merseyside alle Qualitäten, die Amorim angeblich gefehlt hatte, um die beste Leistung seiner kurzen Amtszeit abzuliefern und ein 2:2-Unentschieden zu erzielen.
Ja, der Derby-Sieg bei Manchester City ist vielleicht das beste Ergebnis von United unter den Portugiesen, aber dies war die vollständigste Leistung.
Dieser Sieg im Etihad Stadium hatte etwas Ungewöhnliches: Zwei späte Tore sicherten den Sieg am Ende eines schrecklichen Spiels.
Da die Kop damit rechnete, dass Liverpool die United-Mannschaft unter reduzierten Umständen überholen würde, standen Amorims Männer auf, um gezählt zu werden.
Keine Angst. Keine Angst.
Lisandro Martinez brachte sie in Führung, aber auch nachdem Cody Gakpos abgewinkelter Schuss und Mohamed Salahs Elfmeter sie auf die Jagd nach vorne brachten, gab United nie die Hoffnung auf oder machte einen Rückschritt, als Amad Diallos später Ausgleich die Punkte teilte.
Und es hätte mehr sein können. Viel mehr.
Wenn Harry Maguire Sekunden oder sieben Minuten vor Schluss nicht über ein offenes Tor geschossen hätte, hätten Amorim und United einen bahnbrechenden ersten Sieg an der Anfield Road seit Wayne Rooneys Treffer im Jahr 2016 feiern können.
Dennoch war dies das bisher größte Anzeichen dafür, dass Amorim Wirkung zeigt und dass seine Botschaften endlich ankommen.
Sein Manchester United zeigte endlich Lebenszeichen. Die „Ruben Interim“-Sticheleien können vorerst unterdrückt werden, ebenso wie die alarmierenden Abstiegsgespräche, denn dies war eine Leistung, bei der Amorims Mannschaft für ihren Manager und sich selbst spielte.